Donnerstag, 11. Oktober 2012

In einem Land vor unserer Zeit (Teil 1)

Unsere Zeitmaschine startet nach ihrem Aufenthalt im Mittelalter wieder mit voller Schubkraft. Doch weil irgendwer den falschen Knopf gedrückt hat, bleibt das Reisemobil plötzlich im Jahr 1955 stecken. Nachdem der erste Schreck über die abrupte Landung verflogen ist, werfen unsere Zeitreisenden einen neugierigen Blick auf die Szene: An der alten Steinscheune flattert eine riesige DDR-Fahne im Herbstwind. Junge Pioniere laufen über den Gutshof und singen... Auf dem ungeplanten Zwischenstopp in der noch jungen DDR begegnet uns auch eine ältere Frau, die ihre Kindheit auf dem damals Volkseigenen Gut verbracht hat.

Ein wunderbarer Tag zum Zwischenlanden auf dem Stadtgut Blankenfelde.

Bevor wir uns mit der spannenden Geschichte des Gutes in der Deutschen Demokratischen Republik beschäftigen, wollen wir einen kurzen Exkurs in die Jahre davor unternehmen. Die Stadt Berlin hatte das Gutsareal und andere Ländereien 1882 gekauft, um dort Rieselfelder zu bewirtschaften und so die katastrophalen hygienischen Bedingungen der expandierenden Großstadt verbessern zu können. Etwa zehn Jahre später werden - wahrscheinlich wegen der guten Luft am Stadtrand - das Herrenhaus und die Brennerei erst als Heimstätte für Wöchnerinnen, später als Lungenheilstätte umgebaut und bis Ende des Ersten Weltkrieges als solche genutzt. Es entstehen auch sogenannte Liegehallen zur Genesung im Freien, von denen heute noch eine relativ gut erhalten ist.


Eine alte Postkarte mit der Abbildung der Heimstätte.        Foto: Sammlung Peter Rahn Blankenfelde
Eine der alten Liegenhallen.        Foto: Sammlung Peter Rahn Blankenfelde
Die noch erhaltene Liegehalle wird heute von der Freien Naturschule Pankow genutzt.

Mit der Inbetriebnahme der Niederbarnimer Eisenbahn - auch liebevoll "Heidekrautbahn" genannt - im Jahr 1901 erhält auch Blankenfelde einen eigenen Bahnhof. Über die Bahnanbindung gelangen in den Folgejahren auch viele Kurgäste in den Ort, der 1910 ganz offiziell Kurort für Lungenkranke geworden ist. Zu diesem Zwecke müssen auf dem westlichen Teil des Gutshofes die alten Gebäude einem neuen Kurhaus weichen. Allerdings dauert der Kurbetrieb nur etwa zehn Jahre an. 1920 wird Blankenfelde als Teil des Verwaltungsbezirks Pankow nach Groß-Berlin eingemeindet und die Rieselfelder-Bewirtschaftung ausgeweitet.

Das Tor zur Welt: der Bahnhof Blankenfelde. Er wurde 1983 stillgelegt.
Blankenfelde zu Beginn des 20. Jahrhunderts.        Foto: Sammlung Peter Rahn Blankenfelde
Postkarte für Kurgäste.        Foto: Sammlung Peter Rahn Blankenfelde
Erntefest 1919 in Blankenfelde.        Foto: StadtGut Blankenfelde e.V.

Am 21. April 1945 wird Blankenfelde von der Roten Armee befreit und das Stadtgut der sowjetischen Militäradministration unterstellt. Die Kommandantur wird unweit des Bahnhofs untergebracht. Das Stadtgut selbst dient als "sowjetische Hilfsbereitschaft zur Versorgung des Dorfes und der Potsdamer Garnison". (Max Ley und Konrad Zwingmann, StadtGut Blankenfelde und Dorf, in: Ausstellungsplanung StadtGut Blankenfelde - Naturschutz- und Tourismusstation, 2008, S. 23)

Militärhilfswirtschaft Blankenfelde 1945.        Foto: StadtGut Blankenfelde e.V.
Der sowjetische Betriebsleiter Marusow 1945.        Foto: StadtGut Blankenfelde e.V.

Im geräumigen Kurhaus finden - bis in die 50er Jahre hinein - Kriegsflüchtlinge ein Quartier. Nach der Gründung der DDR übereignet die sowjetische Administration das Areal 1950 schließlich der Vereinigung Volkseigener Güter Groß-Berlins. Das Volkseigene Gut (VEG) in Blankenfelde dient nun der landwirtschaftlichen Produktion und Tierzucht. Hier entsteht zudem eine Ausbildungsstätte für Agrar-Berufe.

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